KAO Brief an den Bundeselternbeirat und an alle Landeselternbeiräte wegen Werbung für Organspende in Schulen

10. Sep­tem­ber 2020

Bun­des­ge­sund­heits­mi­nis­ter Spahn for­dert und fördert
eine „Kul­tur der Organ­spen­de“

Wer­bung für Organ­spen­de in Schulen
Wah­rung der Eltern­rech­te gemäß Arti­kel 6 des Grundgesetzes

Sehr geehr­te Damen und Herren,

die Kri­ti­sche Auf­klä­rung über Organ­trans­plan­ta­ti­on KAO e.V. (Initia​ti​ve​-kao​.de) erfährt immer wie­der, dass Ver­tre­ter der Deut­schen Stif­tung Organ­trans­plan­ta­ti­on (DSO) und/​oder der Bun­des­zen­tra­le für gesund­heit­li­che Auf­klä­rung (BZgA) in Schul­klas­sen gehen und Schü­ler zum Aus­fül­len eines Organ­spen­de Aus­wei­ses ani­mie­ren. Ab 16 Jah­ren dür­fen Schü­ler selb­stän­dig eine Pro Ent­schei­dung fäl­len, die recht­lich bin­dend für ihre Ange­hö­ri­gen ist.

Die Eltern die­ser Schü­ler wis­sen davon meist nichts. Jun­ge Men­schen in die­sem Alter, die ins Leben hin­ein­ge­hen und kei­ne Ahnung von Ster­ben und Tod haben, spen­den bereit­wil­lig ihre Orga­ne, ohne zu wis­sen, was das für ihren eige­nen Ster­be­pro­zess bedeu­tet, den sie ja in wei­ter Zukunft wähnen.

Es ist Auf­ga­be von uns Eltern, sie davor zu bewah­ren, eine unin­for­mier­te Ent­schei­dung zu tref­fen, die so weit­rei­chend ist und sich auf die gesam­te Fami­lie aus­wirkt.[1]

Unse­re Kin­der wis­sen nicht, dass der Hirn­tod als Tod des Men­schen kei­ne wis­sen­schaft­li­che, son­dern eine juris­ti­sche Defi­ni­ti­on der Medi­zin ist, um straf­frei Orga­ne ent­neh­men zu kön­nen. Der Hirn­tod wur­de mög­lich, als man Men­schen künst­lich beatmen konn­te. Für die Über­tra­gung von vita­len Orga­nen erkann­te die auf­stre­ben­de Trans­plan­ta­ti­ons­me­di­zin die­se Pati­en­ten als die idea­len Spen­der. Die prag­ma­ti­sche Umde­fi­nie­rung ihres irrever­si­blen Komas in „Hirn­tod“ ver­schaff­te den Trans­plan­ta­ti­ons­me­di­zi­nern die Legi­ti­ma­ti­on, die­se Pati­en­ten als Spen­der zu benut­zen, ohne des Tot­schlags ange­klagt zu wer­den.[2], [3]

Wir stel­len die Fra­ge: Wie kön­nen Men­schen tot sein, die man beatmen kann, deren Herz eigen­stän­dig schlägt, denen leben­de Orga­ne ent­nom­men wer­den, die als Mann noch pas­siv Kin­der zeu­gen kön­nen und als Frau noch Kin­der aus­tra­gen kön­nen?[4]

Unse­re Kin­der wis­sen nicht, dass sie trotz schwers­ter Ver­let­zung vor der Fest­stel­lung des Hirn­to­des kei­ne zen­tral­dämp­fen­de Medi­ka­ti­on, wie Schmerz- und Beru­hi­gungs­mit­tel, bekom­men dür­fen, da sonst das Ergeb­nis der Hirn­tod­dia­gnos­tik falsch posi­tiv aus­fal­len könn­te. Zur Spen­der­kon­di­tio­nie­rung (organ­pro­tek­ti­ve Maß­nah­men) wer­den sie einer inten­siv­me­di­zi­ni­schen Maxi­mal­the­ra­pie schon vor dem fest­ge­stell­ten Hirn­tod unter­zo­gen, unter Umstän­den sogar einer Reani­ma­ti­on, damit sie nicht vor der Organ­ent­nah­me versterben.

Unse­re Kin­der wis­sen auch nicht, dass eine pal­lia­ti­ve Ster­be­be­glei­tung und damit eine Beglei­tung bis zuletzt durch die Ange­hö­ri­gen für einen Organ­spen­der nicht mög­lich ist.[5]Die­ses kom­ple­xe The­ma wird von der BZgA und der DSO immer grob ver­ein­facht unter dem Begriff der Nächs­ten­lie­be der Gesell­schaft nahe­ge­bracht. Die kri­ti­schen Punk­te wer­den ver­schwie­gen. Das Argu­ment, wenn kein Spen­der­aus­weis aus­ge­füllt wird ster­ben Men­schen auf der War­te­lis­te, ist unzu­läs­sig. Die­se Men­schen ster­ben an ihrer Krank­heit und nicht am Man­gel an Orga­nen. Mit dem Begriff „Tod auf der War­te­lis­te“ wird mora­li­scher Druck aus­ge­übt, kri­ti­siert der Sozio­lo­ge Prof. Wer­ner Schnei­der im Dos­sier „Bio­ethik“ der Bun­des­zen­tra­le für poli­ti­sche Bil­dung.[6]

Eine Zustim­mung zur Organ­spen­de darf kei­ne ein­sa­me Ent­schei­dung eines gut­wil­li­gen Schü­lers sein, son­dern sie soll­te nach inten­si­ver Infor­ma­ti­on und Aus­ein­an­der­set­zung in der Fami­lie getrof­fen wer­den, denn die muss mit die­ser Ent­schei­dung und ihren mög­li­chen Fol­gen leben.

Daher soll­ten Eltern sich umfas­send infor­mie­ren und unbe­dingt for­dern, bei Unter­richts­ein­hei­ten über Organ­spen­de dabei zu sein, um ihre Rech­te und Pflich­ten als Eltern, in Über­ein­stim­mung mit Arti­kel 6 des Grund­ge­set­zes zu wahren.

Mit freund­li­chen Grüßen

Rena­te Grei­nert
1. Vor­sit­zen­de
Kri­ti­sche Auf­klä­rung über
Organ­trans­plan­ta­ti­on KAO e.V

Anla­gen:

KAO Bro­schü­re „Organ­spen­de – die ver­schwie­ge­ne Sei­te“
KAO Falt­blatt „Hirn­tod – der neue Tod bei leben­di­gem Leib“
Sie kön­nen die­se Mate­ria­li­en kos­ten­los auf der KAO Inter­net­sei­te Initia​ti​ve​-kao​.de her­un­ter­la­den oder anfordern.

Pra­xis Pal­lia­ti­ve Care – Die Pal­lia­ti­ve Sei­te der Organ­trans­plan­ta­ti­on 44/2019
Sie kön­nen die­ses Heft bei https://​www​.pra​xis​-pal​lia​tive​ca​re​.de bestellen.

Eini­ge Arti­kel aus dem Heft kön­nen Sie hier bei uns lesen:


Lite­ra­tur

  1. Ein Bei­spiel von vie­len die Fami­lie von Lorenz Mey­er: KAO Doku­men­ta­ti­on „Hirn­tod – Tod bei leben­di­gem Leib Die frag­wür­di­ge Hirn­tod­dia­gno­se und Organ­ent­nah­me bei Lorenz Mey­er – https://​you​tu​.be/​d​p​M​Z​A​Y​dfGWw
  2. A Defi­ni­ti­on of Irrever­si­ble Coma. Report of the Ad Hoc Com­mit­tee of the Har­vard Medi­cal School to Exami­ne the Defi­ni­ti­on of Brain Death. In: Jour­nal of the Ame­ri­can Medi­cal Asso­cia­ti­on 205 (1968), H. 6, S. 337 – 340, hier S. 337. doi:10.1001/jama.1968.03140320031009.
  3. Heu­te ist man in Har­vard wei­ter. Im April 2018 fand an der Har­vard Medi­cal School in Bos­ton eine Inter­na­tio­na­le Hirn­tod-Kon­fe­renz (Sie­he https://initiative-kao.de/https://initiative-kao.de/harvard-bioethik-konferenz-2018-den-tod-definieren/) statt, an der Rena­te Grei­nert für KAO teil­ge­nom­men hat. Dort war davon die Rede, dass es der­zeit in den USA eine Kla­ge­wel­le von Ange­hö­ri­gen gibt, die das Abstel­len der Beatmung nach Hirn­tod­dia­gno­se anfech­ten. Auf­ge­schreckt hat die Wis­sen­schaft der Fall der Jahi McMath (Sie­he https://​initia​ti​ve​-kao​.de/​t​h​e​-​n​e​w​-​y​o​r​k​e​r​-​w​a​s​-​b​e​d​e​u​t​e​t​-​e​s​-​z​u​-​s​t​e​rben/), die nach einer for­mal rich­ti­gen Hirn­tod­dia­gno­se zum Zeit­punkt der Kon­fe­renz seit vier­ein­halb Jah­ren im Koma lag und auf Anspra­che reagier­te. Am 22. Juni 2018 ist Jahi McMath an inne­ren Blu­tun­gen auf Grund von Nie­ren- und Leber­ver­sa­gen wirk­lich ver­stor­ben, gemäß einer Ver­laut­ba­rung ihres Anwalts. Vier­ein­halb Jah­re nach­dem sie in Kali­for­ni­en auf Grund neu­ro­lo­gi­scher Kri­te­ri­en für tot erklärt wur­de.
  4. Anord­nung einer Betreu­ung für Schwan­ge­re mit Aus­fall der Hirn­funk­tio­nen sie­he https://​initia​ti​ve​-kao​.de/​a​n​o​r​d​n​u​n​g​-​e​i​n​e​r​-​b​e​t​r​e​u​u​n​g​-​f​u​e​r​-​s​c​h​w​a​n​g​e​r​e​-​m​i​t​-​a​u​s​f​a​l​l​-​d​e​r​-​h​i​r​n​f​u​n​k​t​i​onen/.
  5. Pra­xis Pal­lia­ti­ve Care – Die Pal­lia­ti­ve Sei­te der Organ­trans­plan­ta­ti­on 44/2019
  6. Bun­des­zen­tra­le für Poli­ti­sche Bil­dung „Dos­sier Bio­ethik“ sie­he https://​www​.bpb​.de/​g​e​s​e​l​l​s​c​h​a​f​t​/​u​m​w​e​l​t​/​b​i​o​e​t​h​i​k​/​3​3​7​8​9​/​o​r​g​a​n​t​r​a​n​s​p​l​a​n​t​ation