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Medizinethik: Behandlung potenzieller Organspender im Präfinalstadium

Ein mit dem Titel “Medizinethik: Behandlung potenzieller Organspender im Präfinalstadium” 2011 im Deutschen Ärzteblatt erschienener Artikel​[1]​ macht die ethischen Probleme bei der Behandlung potenzieller Organspender deutlich und plädiert für eine offene Diskussion, die für eine informierte Zustimmung zur Organspende unabdingbar ist.

Die Autoren schreiben “Oder man muss die Unverbrüchlichkeit der Regel in Frage
stellen, dass eine Organspende am Lebensende ausschließlich bei Toten, nicht aber bei Sterbenden erfolgen darf.”​[1]​

Anmerkung KAO:
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass es sich bei den erwähnten Toten auch nicht um Tote im klassischen Sinne, sondern um sogenannte “Hirn”tote handelt. Die Definition und rechtliche Fiktion des Hirntodes 1968 hat die Organtransplantation überhaupt erst rechtlich ermöglicht. Sie ist seither wissenschaftlich und ethisch umstritten.

Die Autoren stellen die Frage “ob man Patienten mit infauster Prognose mit Blick auf eine mögliche Organspende anders behandeln darf, als man es ohne diese Perspektive täte. Das TPG lässt diese Problematik unerwähnt.”​[1]​

Auf die Änderung der Therapie, wenn eine Organspende im Raum steht geht auch der Artikel von Prof. Frank Erbguth “Therapieziel Hirntod?​[2], [3]​ausführlicher ein.

Netzdiagramm Intensivbehandlung moeglicher Organspender
Quelle: Entscheidungshilfe bei erweitertem intensivmedizinischem Behandlungsbedarf auf dem Weg zur Organspende​[4], [5]​

Auch die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI)
unter Mitarbeit der Sektion Ethik der Deutschen Gesellschaft für Internistische
Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) hat in einem Positionspapier der Sektion Ethik und der Sektion Organspende und -transplantation eine Entscheidungshilfe für Intensivmediziner erarbeitet.​[4], [5]​

Anmerkung KAO:
Als potenzieller Organspender wird jeder betrachtet, der der Organspende nicht ausdrücklich und schriftlich widersprochen hat. Am besten in Form einer Patientenverfügung.

Man sollte vorsorglich auch dafür sorgen, dass die Patientenverfügung im Fall der Fälle frühzeitig den behandelnden Ärzten vorliegt.

Für die Formulierung in der eigenen Patientenverfügung ist es wichtig zu wissen, dass es mehrere Fachausdrücke für dieselbe Praxis gibt: “organprotektive Maßnahmen” , spendezentrierte Maßnahmen”​[6]​, “vorbereitende Maßnahmen”, organprotektive Intensivmedizin”, “donor mangement”, etc.

Flussdiagram Spendezentrierte Maßnahmen
Flussdiagramm Spendezentrierte Maßnahmen mit Anmerkungen von KAO. Basierend auf dem Flussdiagramm der “Handreichung zum Vorgehen bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit schwerster Hirnschädigung bei zu erwartendem Hirntod und Organspendewunsch”​[6]​ des Universitätsklinikums Frankfurt/Main.

Überhaupt kann man nur dann eine informierte Entscheidung darüber treffen, ob man bereit ist Organspender zu sein und all diese Maßnahmen und Risiken in Kauf zu nehmen, sofern man darüber aufgeklärt wird. Bei der Werbung für die Organspende geschieht das nicht.

In dem lesenswerten Artikel “Zum Spannungsfeld zwischen Intensivtherapie und Organtransplantation”​[7]​ schreibt Prof. Dr. jur. Gunnar Duttge, Direktor der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht, Vorstandsmitglied des Zentrums für Medizinrecht an der Georg-August-Universität Göttingen und Mitglied des Klinischen Ethikkomitees (KEK) an der Universitätsmedizin Göttingen sowie in der Sektion Ethik der DIVI: “Die erforderlichen organprotektiven Maßnahmen zur Realisierung der Hirntoddiagnostik und letztlich der postmortalen Organspende fallen in Deutschland in einen
undefinierten rechtlichen Graubereich zwischen Betreuungs- und Transplantationsrecht. Wann von einer rein patienten zu einer spendezentrierten Behandlung übergegangen werden darf, ist ebenso wenig klar wie die Frage, welche Person für den Patienten stellvertretend die notwendige Entscheidung zu treffen hat.​[7]​ (Hervorhebungen durch KAO)

Literatur

  1. [1]
    B. Schöne-Seifert, T. Prien, G. Rellensmann, N. Roeder, and H. H.-J. Schmidt, “Medizinethik: Behandlung potenzieller Organspender im Präfinalstadium,” Dtsch Arztebl International, vol. 108, no. 40, p. A-2080-A-2086, Oct. 2011, [Online]. Available: https://www.aerzteblatt.de/int/article.asp?id=108335
  2. [2]
    F. Erbguth and W. Dietrich, “Therapieziel Hirntod? Soll ein potenzieller Organspender mit aussichtsloser Prognose zugunsten einer möglichen Transplantation lebensverlängernd behandelt werden?,” Bayerisches Ärzteblatt, vol. 2014, no. 3, p. 116 ff, Mar. 2014, [Online]. Available: https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2014/03/einzelpdf/BAB_3_2014_116_119.pdf
  3. [3]
    F. Erbguth and W. Dietrich, “Literaturverzeichnis zum Artikel „Therapieziel Hirntod? Soll ein potenzieller Organspender mit aussichtsloser Prognose zugunsten einer möglichen Transplantation lebensverlängernd behandelt werden?“,” Bayerisches Ärzteblatt, Mar. 2014. https://www.bayerisches-aerzteblatt.de/fileadmin/aerzteblatt/ausgaben/2014/03/literatur/Varia_Ethikserie_Literatur.pdf (accessed Oct. 25, 2022).
  4. [4]
    G. Neitzke et al., “Entscheidungshilfe bei erweitertem intensivmedizinischem Behandlungsbedarf auf dem Weg zur Organspende,” Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin. Springer Science and Business Media LLC, pp. 319–326, Apr. 2019, doi: 10.1007/s00063-019-0578-3.
  5. [5]
    G. Neitzke et al., “Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI),” Entscheidungshilfe bei erweitertem Intensivmedizinischem Behandlungsbedarf auf dem Weg zur Organspende, Apr. 2019. https://www.divi.de/images/Dokumente/Pressemeldungen/190417-divi-entscheidungshilfe-bei-erweitertem-intensivmedizinischem-behandlungsbedarf-auf-dem-weg-zur-organspende.pdf (accessed Oct. 23, 2022).
  6. [6]
    “Universitätsklinikum Frankfurt am Main: Handreichung zum Vorgehen bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit schwerster Hirnschä­digung bei zu erwartendem Hirntod und Organspendewunsch,” Mersmann J, Sauer T, Weiske K, Wolf-Braun B: Universitätsklinikum Frankfurt am Main: Handreichung zum Vorgehen bei erwachsenen Patientinnen und Patienten mit schwerster Hirnschä­digung bei zu erwartendem Hirntod und Organspendewunsch, pp. 90–98, Feb. 2018, doi: 10.19224/ai2018.090.
  7. [7]
    G. Duttge and G. Neitzke, “Zum Spannungsfeld zwischen Intensivtherapie und Organtransplantation,” DIVI, vol. 2015, no. 6, pp. 144–149, Oct. 2022, doi: 10.3238/DIVI.2015.0144–0149.