Professor Dr. Gunnar Duttke lehrt strafrechtliches Medizin- und Biorecht an der Georg-August-Universität in Göttingen. Er schreibt in seinem Artikel “Notvertretungsrecht in der Intensivmedizin”[1] folgendes:
Was ist neu?
Mit Wirkung zum 1.1.2023 werden Ehegatten kraft Gesetzes (automatisch) zu Stellvertretern in sämtlichen „Angelegenheiten der Gesundheitssorge“, d.h. auch für Therapieentscheidungen nahe dem Lebensende. Einer vorausgehenden Bevollmächtigung ad personam durch den Patienten (soweit er noch geschäftsfähig ist, sog. „Gesundheitsvollmacht“) bedarf es dann nicht mehr. Um möglichem Missbrauch entgegenzuwirken, hat sich der Gesetzgeber jedoch zugleich darum bemüht, Sicherungsvorkehrungen zu etablieren. Insbesondere ist eine zeitliche Befristung und eine generelle Nachrangigkeit der gesetzlichen Stellvertretung gegenüber Vollmacht und gerichtlicher Betreuung vorgesehen, was die neue Vertretungsbefugnis für Ehegatten eher zu einer Maßnahme der Überbrückung in Notlagen macht. Blickt man auf den für Klinikeinrichtungen und Ärzteschaft damit verbundenen bürokratischen Aufwand, wird man allerdings am Sinn des neuen Rechts zweifeln. (Hervorhebungen durch KAO)
Prof. Dr. Gunnar Duttke, Strafrechtliches Medizin- und Biorecht
Wer nicht möchte, dass sein Ehepartner im Notfall gesundheitliche Entscheidungen, insbesondere auch am Lebensende trifft sollte dem im Zentralen Vorsorgeregister (https://www.vorsorgeregister.de/) widersprechen. (Nachstehendes Video 10:00 -10:30)
Professor Dr. Gunnar Duttke erläutert das neue “Notvertretungsrecht in der Intensivmedizin” für Ehegatten, das zum 01.01.2023 in Kraft tritt
Quellen
- G. Duttge, „Notvertretungsrecht in der Intensivmedizin“, Dtsch Med Wochenschr, Bd. 147, Nr. 22, S. 1464–1469, Nov. 2022. ↑
Literatur die im Artikel genannt wird
1 Beetz C. Stichwort: Vertretungsbefugnis, Rn. 5. in: Deinert O, Welti F, Luik S. et al. (ed.). Behindertenrecht (Kommentar). 3. Auflage.. Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft; 20222 Deutscher Bundestag. Gesetzentwurf der Bundesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts. Drucksache 19/24445. 18.11.2020. Im Internet (Stand 5.10.22): https://dserver.bundestag.de/btd/19/244/1924445.pdf
3 Kemper R. Die große Reform: Das Notvertretungsrecht für Ehegatten kommt. Der Familien-Rechtsberater 2021; 20: 260-268
4 Lugani K. Gegenseitige Vertretung von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge – Der neue § 1358 BGB. Medizinrecht 2022; 40: 91-99
5 Szantay M. Notgeschäftsführung zwischen Eheleuten. Neue Zeitschrift für Familienrecht 2021; 8: 805-810
6 Kappler S. Kommentierung des § 1567 BGB, Rn. 55-57. in: Gsell B, Krüger W, Lorenz S. et al. (ed.). Beck-online Großkommentar zum Zivilrecht. München: Beck Verlag; Stand: 1.8.2021.
7 Koller F, Stahl M. Ein neues (Not-)Vertretungsrecht für Ehegatten in der ärztlichen und klinischen Praxis. Gesundheitsrecht 2021; 20: 212-218
8 Mazur S, Ziegler O. (Haftungs-)rechtliche Aspekte im Zusammenhang mit dem Ehegattenvertretungsrecht gem. § 1358 BGB n. F. im Arzt-Patienten-Verhältnis. Gesundheit und Pflege 2022; 12: 41-49
9 Dutta A. Handlungsbefugnisse von Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge – ein weiterer Versuch für einen neuen § 1358 BGB. Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2020; 67: 1881-1884
10 Janssens U, Graf J. Angehörigenkonferenz. Intensivmedizin und Notfallmedizin 2010; 47: 35-42
11 Hoffmann M, Nydal P, Brauchle M. et al. Angehörigenbetreuung auf Intensivstationen. Medizinische Klinik – Intensivmedizin und Notfallmedizin 2022; 117: 349-357