USA: Widerspruch von 107 Experten gegen die vorgeschlagene Änderung des Gesetzes über die einheitliche Feststellung des Todes (UDDA)

Die Hirn­tod­fest­stel­lung ist ein inva­si­ver Ein­griff, der für den Pati­en­ten schwer­wie­gen­de recht­li­che Kon­se­quen­zen hat und auch schwe­re gesund­heit­li­che Fol­gen nach sich zie­hen kann. Aus die­sem Grund ist bis­lang in Ame­ri­ka und auch Deutsch­land die infor­mier­te Zustim­mung des Pati­en­ten oder sei­nes recht­li­chen Ver­tre­ters not­wen­dig. In den USA wider­spre­chen immer mehr Pati­en­ten­ver­tre­ter der Durch­füh­rung der Hirn­tod­fest­stel­lung, ins­be­son­de­re dem erfor­der­li­chen App­noe Test, der das Risi­ko birgt, Hirn­tod bei einem Nicht-Hirn­tod-Pati­en­ten aus­zu­lö­sen. Daher gibt es nun in den USA Bestre­bun­gen das Gesetz über die ein­heit­li­che Fest­stel­lung des Todes (Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act, UDDA) dahin­ge­hend zu ändern, dass unter ande­rem eine infor­mier­te Zustim­mung zur Hirn­tod­fest­stel­lung nicht mehr erfor­der­lich sein soll.

Wider­spruch von 107 Exper­ten aus den Berei­chen Medi­zin, Bio­ethik, Phi­lo­so­phie und Recht

Der reno­mier­te Neu­ro­lo­ge Prof. Dr. Alan Shew­mon hat dazu am 14.05.2021 eine umfas­sen­de Stel­lung­nah­me abgegeben: 

Stel­lung­nah­me zur Unter­stüt­zung der Über­ar­bei­tung des Geset­zes über die ein­heit­li­che Fest­stel­lung des Todes und gegen eine vor­ge­schla­ge­ne Überarbeitung

Titel des eng­li­schen Ori­gi­nals: State­ment in Sup­port of Revi­sing the Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act and in Oppo­si­ti­on to a Pro­po­sed Revi­si­on) https://​doi​.org/​1​0​.​1​0​9​3​/​j​m​p​/​j​h​ab014

Deut­sche Über­set­zung der Zusam­men­fas­sung (abs­tract):

[Her­vor­he­bun­gen durch KAO]

Dis­kre­pan­zen zwi­schen dem Gesetz über die ein­heit­li­che Fest­stel­lung des Todes (Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act, UDDA) und den dia­gnos­ti­schen Richt­li­ni­en für den Hirn­tod bei Erwach­se­nen und Kin­dern (die „Richt­li­ni­en“) haben Vor­schlä­ge zur Über­ar­bei­tung des UDDA moti­viert. Beson­de­re Auf­merk­sam­keit hat eine von Lewis, Bon­nie und Pope vor­ge­schla­ge­ne Revi­si­on (der RUD­DA) erhal­ten, deren drei Neue­run­gen dar­in bestehen würden:

(1) die Leit­li­ni­en als recht­lich aner­kann­ter „medi­zi­ni­scher Stan­dard“ festzulegen, 

(2) die Hypo­tha­la­mus­funk­ti­on aus der Kate­go­rie „Hirn­funk­ti­on“ aus­zu­schlie­ßen und

(3) Ärz­te zu ermäch­ti­gen, einen Apnoe-Test ohne Zustim­mung und sogar gegen den Wider­spruch eines Bevoll­mäch­tig­ten durchzuführen.

Ein­hun­dert­sie­ben Exper­ten aus den Berei­chen Medi­zin, Bio­ethik, Phi­lo­so­phie und Recht, die eine Viel­zahl von Per­spek­ti­ven abde­cken, sind sich einig, dass die UDDA zwar einer Über­ar­bei­tung bedarf, die RUD­DA aber nicht der rich­ti­ge Weg dafür ist. Insbesondere

(1) haben die Richt­li­ni­en ein nicht zu ver­nach­läs­si­gen­des Risi­ko eines falsch-posi­ti­ven Fehlers,

(2) ist die hypo­tha­la­mi­sche Funk­ti­on (Funk­ti­on des Zwi­schen­hirns [Anmer­kung KAO]) für den Orga­nis­mus als Gan­zes rele­van­ter als jeder Hirn­stamm­re­flex, und

(3) birgt der Apnoe-Test das Risi­ko, Hirn­tod bei einem Nicht-Hirn­tod-Pati­en­ten aus­zu­lö­sen, bie­tet dem Pati­en­ten kei­nen Nut­zen, erfüllt sei­nen beab­sich­tig­ten Zweck nicht zuver­läs­sig und ist nach der inter­nen Logik der Richt­li­ni­en nicht ein­mal abso­lut not­wen­dig für die Dia­gno­se des Hirn­to­des; sie soll­te zumin­dest eine infor­mier­te Zustim­mung erfor­dern, wie vie­le Ver­fah­ren, die viel nütz­li­cher und weni­ger ris­kant sind.

Schließ­lich beru­hen Ein­wän­de gegen ein neu­ro­lo­gi­sches Todes­kri­te­ri­um nicht nur auf reli­giö­sem Glau­ben oder Unwissenheit.

Die Men­schen haben ein Recht dar­auf, dass ihnen nicht gegen ihr Urteil und ihr Gewis­sen ein Todes­kon­zept auf­ge­zwun­gen wird, das von Exper­ten hef­tig dis­ku­tiert wird; jede Über­ar­bei­tung der UDDA soll­te daher eine Aus­stiegs­klau­sel für die­je­ni­gen ent­hal­ten, die nur ein kreis­lauf-respi­ra­to­ri­sches Kri­te­ri­um akzeptieren.

Stich­wor­te: Apnoe-Test, Hirn­tod, dia­gnos­ti­sche Richt­li­ni­en, Hypo­tha­la­mus­funk­ti­on, infor­mier­te Zustim­mung, medi­zi­ni­scher Stan­dard, Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act (UDDA)

Wir wer­den Ihnen hier in Kür­ze eine voll­stän­di­ge deut­sche Über­set­zung die­ser wich­ti­gen Stel­lung­nah­me zur Ver­fü­gung stel­len. Denn die­se Dis­kus­si­on wird auch bereits in Deutsch­land geführt.

Mehr zu Prof. Dr. Alan Shew­mon und sei­ner Sicht auf das Hin­tod­kon­zept fin­den Sie bei https://​www​.wis​sen​schaft​.de/​g​e​s​u​n​d​h​e​i​t​-​m​e​d​i​z​i​n​/​d​a​s​-​ende/.