„Organspende“ - Transparenz im Bermudadreieck

Geb­hard Focke betrach­tet den Tag der Organ­spen­de mit einer gehö­ri­gen Por­ti­on Sarkasmus.

Wenn es Juni wird in Deutsch­land und der „Tag der Organ­spen­de“ naht, kommt ein Tsu­na­mi an Wer­bung auf uns zu, mit dem Ziel, uns dazu zu brin­gen, unse­re Orga­ne „im Fal­le unse­res Todes“ abzugeben.

Wie will man uns dazu bringen?

  1. Man macht uns ein schlech­tes Gewis­sen: Unse­ret­we­gen müs­sen 8400 Men­schen ster­ben, weil wir zu faul sind, uns von unse­ren Orga­nen zu trennen.
  2. Dadurch, dass man uns Bei­spie­le von lei­den­den Men­schen vor­führt, bevor­zugt Kin­der, sol­len wir über­zeugt werden.
  3. Dass man nach einer Organ­spen­de natür­lich gene­sen ist und sogar den Hima­la­ya bestei­gen kann, wird sug­ge­riert. Damit das funk­tio­niert, wird
  4. das Ber­mu­da­drei­eck der Organ­spen­de in Tätig­keit ver­setzt: Es gibt nur Lei­den­de auf der Sei­te der poten­ti­el­len Organ­emp­fän­ger, die mit dem Tode kämp­fen. Auf der Sei­te der Spen­der gibt es kei­nen Grund, sich gegen eine Spen­de zu wen­den, es sei denn Unwis­sen­heit oder Hart­her­zig­keit. Natür­lich sind poten­ti­el­le Spen­der mau­se­tot; dass sie beatmet wer­den müs­sen, ist ganz natür­lich – schließ­lich sol­len sie noch etwas Gutes tun, und das geht nicht als Lei­che. Wer hier einen Wider­spruch sieht, ver­traut unse­ren Ärz­ten nicht.
  5. Die „Trans­pa­renz“ ist so voll­kom­men, dass man durch die Grup­pe der Betrof­fe­nen und deren Ange­hö­ri­ge ein­fach hin­durch­sieht und sie gar nicht wahr­nimmt. Dass die­se Men­schen sich even­tu­ell das Ster­ben anders vor­stel­len als auf dem OP-Tisch – viel­leicht im Hos­piz oder auf einer Pal­lia­tiv­sta­ti­on, im Krei­se ihrer Ange­hö­ri­gen – ist nicht vor­ge­se­hen und also auch nicht vorhanden.
  6. Und natür­lich gibt es kei­ner­lei wirt­schaft­lich-peku­niä­re Grün­de für die­se Medi­zin. Hier wird nur an die Men­schen gedacht, die (auf der rich­ti­gen Sei­te) lei­den und denen mit allen Mit­teln gehol­fen wer­den soll. Wer behaup­tet, dass sich beson­ders die gro­ßen Kli­ni­ken dar­an gesund sto­ßen, dass auch vie­le sinn­lo­se OPs gemacht wer­den, um die Min­dest­quo­te zu erfül­len, die man zur Aner­ken­nung als Trans­plan­ta­ti­ons­zen­trum braucht – ver­brei­tet Fake News.

Mit ande­ren Wor­ten: Die­se Medi­zin kann erst dann ernst genom­men wer­den, wenn sie die Lage und Inter­es­sen der bei­den betei­lig­ten Sei­ten benennt und ver­sucht, die­se mit­ein­an­der zu versöhnen.

Das wird aber nicht gelin­gen. Wie sag­te schon in den acht­zi­ger Jah­ren des letz­ten Jahr­hun­derts Pro­fes­sor Pichl­may­er, einer der ers­ten ein­fluss­rei­chen Trans­plan­teu­re in Deutsch­land: „Wenn wir die Men­schen auf­klä­ren, bekom­men wir kei­ne Orga­ne mehr“.

Bre­men, 1.6.2024

Geb­hard Focke