Organspende – Den Bürgern reinen Wein einschenken

Die Süd­deutsche Zei­tung veröf­fentlicht 3 Lese­briefe von Gise­la Mei­er zu Bie­sen, Erd­mute Witt­mann und Richard Fuchs zu den Arti­keln „Muti­ge Nach­barn“ und „Nieder­lande erle­ichtern Organ­spen­de„vom 15. Feb­ru­ar 2018.

Die Gren­zen überschritten

Anstatt den moralis­chen Druck auf die Bevöl­ke­rung mit der Behaup­tung, dass täg­lich Men­schen wegen des Organ­man­gels ster­ben, kri­tisch unter die Lupe zu neh­men, redet Astrid Vicia­no in „Muti­ge Nach­barn“ mit ihrer For­de­rung nach der Wider­spruch­slö­sung ein­er Ver­fü­gung des Kör­pers durch den Staat das Wort, wobei das Wort Lösung unan­genehme Assozi­a­tio­nen in Bezug auf Leben und Tod aus­löst. Sie bewun­dert die Nieder­län­der, die bere­its in der aktiv­en Ster­be­hil­fe die Gren­zen weit über­schrit­ten haben.

Als Deut­sche sind wir immer noch stolz dar­auf, ein „Son­der­fall“ zu sein und Juris­ten und Ärz­te zu haben, die gra­vie­ren­de Beden­ken äußern. Die Autorin soll­te sich bei Kri­tik­ern, die es auch unter den Ärz­ten gibt, über Ablauf eine Orga­nent­nahme infor­mie­ren. Und dann, ehe sie für die Wider­spruch­slö­sung wirbt, den poten­ziellen Spen­dern rei­nen Wein ein­schenken über das, was bei ein­er Orga­nent­nahme auf sie zukäme.

Gise­la Mei­er zu Bie­sen, Bad Bodendorf

Recht auf Selbstbestimmung

Ob Bürg­erin­nen und Bürg­er zwangs­wei­se dazu ver­pflich­tet wer­den kön­nen, ihr Votum für oder gegen eine Organ­spen­de abzu­ge­ben, ist ver­fas­sungsrechtlich höchst beden­klich. Schwei­gen bedeu­tet an kei­nem Punkt unser­er Recht­sor­d­nung Zus­tim­mung. In unser­er Gesell­schaft herrscht das Recht, sich in die­sem Fall nicht äußern zu müs­sen. Eine Wider­spruch­sregelung wäre ein Anschlag auf unser ver­fas­sungsrechtlich garan­tier­tes Selb­st­bes­tim­mungsrecht. Es gibt kei­ne sozia­le Pflicht des Bürg­ers, sei­nen Kör­p­er nach dem soge­nan­nten Hirn­tod Drit­ten zur Ver­fü­gung zu stellen.

Eine Wider­spruch­sregelung, die in einem Ent­wurf des Trans­plan­ta­tion­s­ge­set­zes der Bun­desregierung bere­its 1978 schon ein­mal gescheit­ert war, wur­de mit dem 1997 in Kraft getrete­nen Trans­plan­ta­tion­s­ge­setz aber­mals abgelehnt.

Richard Fuchs, Düsseldorf

Schlag nach bei Kant

Was ist dar­an mutig, wenn die Regie­rung eines Lan­des die Wider­spruch­slö­sung ein­führt und der Staat „automa­tisch“ über den Kör­p­er eines ster­ben­den Men­schen mit Hil­fe der Medi­zin ver­fügt? Aber sprach­liche Unge­nauigkeit­en gehö­ren seit Lan­gem zum Reper­toire der Befür­worter der Trans­plan­ta­tion­s­medi­zin, denn es kann ja wohl auch kei­ne „Spen­de“ sein, wenn sich Bürg­er mit einem amt­lich doku­men­tierten Wider­spruch aktiv ein­set­zen müs­sen, dass sie in Wür­de und Ruhe ster­ben dür­fen. Deutsch­land zum hin­ter­her­hink­enden Son­der­fall zu erk­lären, ent­larvt ein bedauer­lich schwach­es ethis­ches Bewusst­sein. Immer­hin hat­ten die Deut­schen einen Phi­lo­so­phen namens Imma­nu­el Kant, der die Selb­stzweck­formel des kat­e­gorischen Imper­a­tivs als ethis­ches Prin­zip for­muliert hat­te. Über­dies ist nicht davon auszuge­hen, dass es nur in Deutsch­land ver­w­er­fliche Manip­u­la­tio­nen gege­ben hat. Wie vie­le Skan­dale in ande­ren Län­dern unter den (OP-)Tisch gekehrt wer­den, erfährt man nicht oder nur, wenn man wie der Vere­in Kri­tis­che Aufk­lärung über Organtrans­plan­ta­tion inten­siv die inter­na­tionale Berichter­stat­tung ver­fol­gt. Es ist also eine wohlwol­lende Unter­stel­lung, dass die Chirur­gen im hochge­priese­nen Spa­ni­en mora­lisch bess­er han­deln als in Deutschland.

Erd­mute Witt­mann, Remagen

Sie find­en die Leser­briefe in der Süd­deutschen Zeitung:

http://​www​.sued​deutsche​.de/​k​o​l​u​m​n​e​/​2​.​2​2​0​/​o​r​g​a​n​s​p​e​n​d​e​– t​o​t​– i​s​t​– t​o​t​– a​b​e​r​– n​i​c​h​t​– h​i​r​n​t​o​t​– 1​.​3​8​4​0​217