Organe bekommen

Voll­stän­di­ger Name:
Gebut­s­da­tum und ‑ort:
Adres­se:

Wenn ich mich mit dem Gedan­ken tra­ge, mir gege­ben­falls ein Organ eines ande­ren Men­schen ein­pflan­zen zu las­sen, bin ich mir fol­gen­der Tat­sa­chen bewusst und damit einverstanden:

Ich ent­schei­de mich, mei­nem mög­li­chen Ster­ben den größt­mög­lichs­ten Wider­stand ent­ge­gen zu setz­ten. Dazu bin ich bereit, mir Orga­ne eines ande­ren Men­schen ein­set­zen zu las­sen. Mir ist klar, dass die­ser Mensch sehr wahr­schein­lich ohne sein Ein­ver­ständ­nis oder nur durch die Zustim­mung belo­ge­ner Ange­hö­ri­ge, zu Tode gekom­men ist. Man könn­te den Men­schen die Wahr­heit sagen, will man aber aus gutem Grund nicht. Denn erst durch die Organ­ent­nah­me stirbt die­ser Mensch tat­säch­lich. Die Organ­ent­nah­me geschieht nicht, wie betrü­ge­risch behaup­tet wird, nach sei­nem Tod. Orga­ne die ver­wen­det wer­den sol­len, kön­nen nur Leben­den ent­nom­men wer­den. Orga­ne Toter, kön­nen nicht ver­wen­det wer­den. Das ist mir klar. Die vor­aus­ge­hen­de Hirn­tod­dia­gnos­tik ist als Dia­gno­se des Todes unge­eig­net. Es ist eine juris­ti­sche Defi­ni­ti­on. Hirn­to­te sind nicht tot, sie kön­nen vie­le Lebens­zei­chen auf­wei­sen und sogar nach­weis­lich in Ein­zel­fäl­len wie­der zu Bewusst­sein kom­men. Die sehr stress­haf­te Dia­gnos­tik führt manch­mal über­haupt erst dazu, dass der Hirn­tod über­haupt ein­tritt. Ein unge­stör­tes, fried­li­ches Ster­ben ist bei Ent­nah­me von Orga­nen für den Men­schen des­sen Orga­ne ent­nom­men wer­den, nicht mehr mög­lich. Für den Men­schen des­sen Orga­ne ich erhal­te, ist kein voll­stän­di­ges Ster­ben mehr mög­lich, da seine/​ihre Orga­ne ja noch wei­ter leben. Das hat ver­mut­lich weit­rei­chen­de geis­ti­ge Fol­gen für die­sem Men­schen und auch für mich. Ich lebe dann mit einer ande­ren Lebens­form in mir. Das neh­me ich zur Kennt­nis, wis­send dass ich mich auf völ­lig unweg­sa­mes Gebiet mit für mich unab­seh­ba­ren Kon­se­quen­zen bege­be. Nie­mand kann die Hand dafür ins Feu­er legen und bewei­sen, dass der Tod das end­gül­ti­ge Ende für einen Men­schen ist. Das muss für alle offen bleiben. 

Ich weiß, dass arg­lo­se Men­schen und ihre tief scho­ckier­ten Fami­li­en dar­über oft belo­gen wer­den, dass näm­lich tat­säch­lich leben­de Men­schen erst getö­tet wer­den, um sich ihrer Orga­ne zu bemäch­ti­gen. Das erfüllt die juris­ti­schen Kri­te­ri­en für Mord: Tötung, Heim­tü­cke und ein arg­lo­ses Opfer, sowie der Wunsch sich den Besitz des Opfers (nie­de­re Beweg­grün­de) anzu­eig­nen. Des­halb spre­chen Medi­zi­ner von Rang heu­te inter­na­tio­nal bei Organ­ent­nah­men von „jus­ti­fied kil­ling“, zu deutsch: berech­tig­ter Tötung.[1]

Die Orga­ne sind das Eigen­tum eines Men­schen. Sie kön­nen auch nicht von Ange­hö­ri­gen, ohne voll auf­ge­klär­tes Ein­ver­ständ­nis Betrof­fe­ner selbst, noch zu deren Leb­zei­ten stell­ver­tre­tend für ande­re mit einer Unter­schrift „gespen­det“ wer­den. Nie­mand kann das Eigen­tum ande­rer, „spen­den“. Das ist mir klar. 

Den­noch bin ich zu mei­nem Vor­teil, mit alle­dem für eine Trans­plan­ta­ti­on ein­ver­stan­den. Ich weiß, dass mein Vor­teil, der Scha­den die­ses ande­ren Men­schen ist. Das berührt mich nicht.

Selbst wenn der Mensch des­sen Orga­ne ich erhal­ten wür­de, das alles weiß, müss­te er alle­dem, sehen­den Auges, eben­falls zustim­men. Das ist sehr unwahr­schein­lich und unter­liegt nicht mei­ner Kontrolle.

Mir ist klar, dass ich mir damit ein Teil der Lebens­kräf­te die­ses mir völ­lig unbe­kann­ten Men­schen ein­ver­lei­be. Damit bin ich ein­ver­stan­den, egal wie sich die Kon­se­quen­zen dar­aus mög­li­cher­wei­se bei mir zei­gen wer­den. Mir ist auch klar, dass der ver­stor­be­ne Mensch des­we­gen nicht voll­stän­dig ster­ben kann. All das neh­me ich bil­li­gend in Kauf.

Ich weiß, dass Orga­ne oft abge­sto­ßen wer­den, trotz mas­si­ver Medi­ka­men­te. Mir ist auch klar, dass die medi­ka­men­tö­se Unter­drü­ckung mei­nes Abwehr­sys­tems nach der Trans­plan­ta­ti­on oft zu Krebs­ent­ste­hung führt. Mir ist bewusst, dass nur ein eher kur­zer Zeit­raum des mei­nes Lebens durch frem­de Orga­ne mög­lich ist. Ech­te Gesund­heit ist so nicht mehr mög­lich. Mei­ne eige­ne Hei­lung und ein gutes Ster­ben für den ande­ren Men­schen des­sen Orga­ne ich haben will, ist auf die­sem Weg nicht mög­lich. Das weiß ich.

Den­noch ent­schei­de ich mich mit allen Kon­se­quen­zen, sehen­den Auges, für eine Trans­plan­ta­ti­on frem­der Orga­ne bei mir. Ich bin bereit, alles dar­aus Fol­gen­de, bekannt oder unbe­re­chen­bar, anzunehmen.

Ort, Datum Unter­schrift

LITE­RA­TUR­HIN­WEI­SE


  1. Robert D. Truog/​Franklin G. Mil­ler, Rethin­king the Ethics of Vital Organ Dona­ti­ons, in: Has­tings Cen­ter Report, 38(2008) 6, S. 41ff.