Nach dem Scheitern der Widerspruchsregelung in Deutschland (2019) geht das transplantationsmedizinische Engagement für eine Lockerung der Regeln zur Durchführung der Organgewinnung weiter. Auch hinter dem vom Deutschen Bundestag verabschiedeten „Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“ vom 16. März 2020 steht der Satz: „Wir haben zu wenig Organe!“ – ein wahres ‚Totschlagargument‘ für die betroffenen Menschen mit schweren Hirnschädigungen, denen ein würdevolles Sterben im Rahmen einer palliativen Therapie und in Begleitung ihrer Angehörigen vorenthalten bleiben muss, sollten sie sich für eine Organspende bereit erklären.
Denn: Eine Organspende setzt Stunden oder gar Tage bereits vor Eintritt des Hirnversagens („Hirntod“) bis zu dem im Operationssaal zu erleidenden Herztod eine intensivmedizinische Maximaltherapie an Schläuchen voraus, die selbst mechanische und medikamentöse Reanimationsmaßnahmen zwecks Realisierung der Organspende einschließen kann. Ein Sterben auf der Intensivstation im Rahmen einer palliativen Therapie, im Beisein der Familie ist dann nicht möglich. An Stelle der aufwändigen PR-Kampagnen fordert KAO eine transparente, umfassende Aufklärung über die Bedingungen des Sterbens bei einer Organspende. Auch darüber, dass bereits VOR der Hirntodfeststellung bei noch nicht eingetretenem Hirnversagen mit der speziellen ‚organprotektiven‘ Therapie von Patienten, die als Organspender in Betracht kommen, begonnen wird. Diese intensivmedizinischen Maßnahmen sind fremdnützig, sie dienen ausschließlich dem Zweck der Organgewinnung und nicht dem Wohl von sterbenden Patienten mit einer schweren Hirnschädigung (z.B. Schlaganfall, Hirnblutung, Kopfverletzung, Hirntumor). Medizinrechtler und -ethiker sowie der Deutsche Ethikrat fordern, dass dieser hochsensible Bereich dringend gesetzlich zu regeln ist und eine öffentliche Aufklärung für eine entsprechende Entscheidungsfähigkeit stattfinden muss. Denn die „organprotektive Intensivtherapie“ beginnt VOR der Hirntodfeststellung, also in der letzten Lebensphase eines Menschen, der noch in vollem Umfang den in der deutschen Verfassung zugesicherten Schutz des Lebensgrundrechts (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) genießt. Diese Vorgehensweise verdeutlicht, dass der sogenannte Organspendeprozess keineswegs – wie es auf Spenderausweisen heißt – „nach meinem Tod“ beginnt.