Hirntod: Was nicht nur Katholiken wissen sollten

Die Kon­se­quen­zen der „Hirntod“-Gesetzgebung

Vor­be­mer­kung: Die Autorin wand­te sich im März alar­miert an einen Kon­takt im deut­schen Sprach­raum, um auch die deutsch­spra­chi­ge Welt vor den Kon­se­quen­zen der „Hirntod“-Gesetzgebung zu war­nen. Wenn der betref­fen­de Vor­stoß von Prot­ago­nis­ten des Hirn­to­des in den USA, Lewis/​Pope u. a., zum Gesetz wer­de, dann wür­den sich die Fol­gen wie Covid-19 in der gan­zen Welt aus­brei­ten. Gott möge das ver­hü­ten, wie die Autorin schrieb. Sie legt im fol­gen­den Auf­satz die Pro­ble­ma­tik des „Hirn­to­des“, die – nicht immer klar zum Aus­druck kom­men­de – Posi­ti­on der Kir­che und den geplan­ten Geset­zes­vor­stoß dar.

Hirn­tod: Was Katho­li­ken wis­sen sollten

Von Dr. Doy­en Nguy­en und Dr. Joseph M. Eble

Hirn­tod, die Bestä­ti­gung des Todes durch neu­ro­lo­gi­sche Kri­te­ri­en, ist eine ein­ge­ses­se­ne gerichts­me­di­zi­ni­sche Pra­xis in den USA und vie­len Län­dern der Erde. Das Ad-Hoc-Komi­tee der Har­vard Medi­cal School führ­te 1968 den Hirn­tod durch die Defi­ni­ti­on „irrever­si­bles Koma als neu­es Kri­te­ri­um für den Tod“ (Ein­lei­tungs­pa­ra­graph des Reports) ein. Hirn­tod ist seit­dem eine kon­tro­ver­se Fra­ge. Daß hirn­to­te Organ­spen­der die haupt­säch­li­che Quel­le für Organ­trans­plan­ta­tio­nen sind, hat die Kon­tro­ver­se wei­ter befeu­ert, wie man an der zuneh­men­den Zahl von Gerichts­pro­zes­sen erken­nen kann, die die Legi­ti­mi­tät des Hirn­to­des in Fra­ge stel­len. Ein bekann­tes Bei­spiel ist der Fall McMath.

Die Hirn­tod­kon­tro­ver­se ist aus zwei Grün­den von gro­ßer Wich­tig­keit. Zunächst scheint es, daß die Kir­che durch Papst Johan­nes Paul II. den Hirn­tod als gül­ti­ges Kri­te­ri­um für die Bestim­mung des Todes akzep­tiert hat. Zwei­tens zuguns­ten einer Ände­rung des gel­ten­den Geset­zes (Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act) agi­tiert, sodaß Fami­li­en von einer Infra­ge­stel­lung der Gül­tig­keit des Hirn­tod­kri­te­ri­ums aus­ge­schlos­sen wer­den. Wir wer­den uns auf die­se Aspek­te des Hirn­to­des kon­zen­trie­ren, die am meis­ten für Katho­li­ken rele­vant sind, und unse­re Erör­te­rung auf der Evi­denz der Fak­ten und den Prin­zi­pi­en katho­li­scher Anthro­po­lo­gie aufbauen.

Was ist der Tod und was ist Hirntod?

Obwohl man über den Hirn­tod gehört haben mag, haben vie­le kein kla­res Bild davon und glau­ben, daß Hirn­tod das­sel­be ist wie Tod (das irrever­si­ble Ende aller vita­len Funk­tio­nen, wie es mit­tels tra­di­tio­nel­ler Kri­te­ri­en im Bereich von Herz und Lun­ge bestimmt wird). Der direk­tes­te Zugang, den Hirn­tod zu ver­ste­hen, ist ein Ver­gleich mit dem Tod selbst. Der Tod ist: (1) ein meta­phy­si­sches Ereig­nis – näm­lich die Tren­nung der See­le vom Leib – das, wie Johan­nes Paul II. auf­wies, „kei­ne wis­sen­schaft­li­che Tech­nik oder empi­ri­sche Metho­de direkt iden­ti­fi­zie­ren kann“, und (2) ein bio­lo­gi­sches Phä­no­men, näm­lich der natür­li­che Pro­zeß der kör­per­li­chen Auf­lö­sung des Leich­nams. Die­ser Pro­zeß, der sofort nach dem meta­phy­si­schen Ereig­nis des Todes beginnt, stellt die unauf­halt­sa­me Entro­pie dar, die von kei­ner tech­no­lo­gi­schen Inter­ven­ti­on umge­dreht wer­den kann.

  1. Es ist von der Spe­zi­es unab­hän­gig und gilt für ande­re warm­blü­ti­gen Säu­ge­tie­re, so wenn wir sagen „unser Cou­sin starb“, mei­nen wir die­sel­be Sache, wenn wir sagen „unser Haus­hund starb“.
  2. Es gibt meh­re­re erkenn­ba­re Zei­chen, die den Tod eines warm­blü­ti­gen Lebe­we­sens anzei­gen. Zusätz­lich zum völ­li­gen Auf­hö­ren aller vita­len Kör­per­funk­tio­nen ohne Mög­lich­keit der Wie­der­be­le­bung ist eines der am frü­hes­ten erkenn­ba­ren Zei­chen der Auf­lö­sung des Kör­pers der stei­le Fall der Tem­pe­ra­tur des Leich­nams auf das Niveau der Umge­bungs­tem­pe­ra­tur. Das schnel­le Abflie­ßen des Blu­tes von den ober­flä­chen­na­hen Kapil­la­ren in die tie­fen Venen macht die Haut grau und leb­los. Ande­re Anzei­chen des Todes, näm­lich livor mor­tis (Toten­fleck) und rigor mor­tis (Toten­star­re) set­zen inner­halb weni­ger Stun­den ein.

Indem der Har­vard Report von 1968 irrever­si­bles Koma als neu­es Kri­te­ri­um für den Tod defi­nier­te, brach­te er die fol­gen­den dia­gnos­ti­schen Kri­te­ri­en für Hirn­tod: (I) „völ­li­ges Aus­blei­ben von Reak­tio­nen“ sogar bei den schmerz­haf­tes­ten Sti­mu­li; (II) kei­ne Spon­tan­at­mung, wie durch den Apnea Test doku­men­tiert; (III) „kei­ne spon­ta­nen Mus­kel­be­we­gun­gen“; (IV) kei­ne Refle­xe, d.h., Hirn­stamm­re­fle­xe sind abwe­send, plus „als Regel, die Streck­seh­nen­re­fle­xe kön­nen nicht aus­ge­löst wer­den“; und (V) ein fla­ches Enze­pha­logramm (EEG). Man beach­te, daß beim Hirn­tod der Tod nur auf der Basis der Abwe­sen­heit jener Gehirn­funk­tio­nen, die kli­nisch getes­tet wer­den kön­nen, bestimmt wird und nicht auf der Basis der Been­di­gung aller vita­len Funktionen.

Im Jahr 1981 unter­stütz­te die Prä­si­den­ten­kom­mis­si­on für Stu­di­en zu ethi­schen Pro­ble­men in Medi­zin und For­schung in Bio­me­di­zin und Ver­hal­ten den Hirn­tod durch Pro­mul­ga­ti­on des UDDA (Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act, Gesetz über die ein­heit­li­che Bestim­mung des Todes). Der UDDA macht den Hirn­tod legal und stellt ihn auf die­sel­be Stu­fe mit dem tra­di­tio­nel­len Herz-Lun­gen-Tod. Er defi­niert Hirn­tod als „unum­kehr­ba­re Been­di­gung aller Funk­tio­nen des gesam­ten Hirns, ein­schließ­lich des Hirnstammes.“

Im Lauf der Jah­re wur­den die ori­gi­na­len Dia­gno­se­kri­te­ri­en für Hirn­tod modi­fi­ziert, sodaß gemäß der aktu­el­len Richt­li­ni­en der Ame­ri­ka­ni­schen Aka­de­mie für Neu­ro­lo­gie (seit 1995 in Wir­kung und 2010 aktualisiert)

  1. eine neu­ro­lo­gi­sche Unter­su­chung am Kran­ken­bett aus­rei­chend zur Bestim­mung des Hirn­to­des ist; EEG und eine Unter­su­chung des Flus­ses des Gehirn­blu­tes sind nicht erforderlich;
  2. nor­ma­ler Blut­druck und Abwe­sen­heit von Dia­be­tes insi­pi­dus (die bei­des Anzei­chen von wei­ter­ge­hen­der Abson­de­rung des Anti­di­ure­ti­schen Hor­mons [ADH] durch die Hypo­tha­la­mus-Hypo­phy­sen-Ach­se sind) Hirn­tod nicht ausschließen;
  3. spon­ta­ne Bewe­gun­gen und Streck­re­fle­xe der Glied­ma­ßen, genau­so wie Trä­nen­ab­son­de­rung, Schwit­zen, Errö­ten, Herz­ra­sen und plötz­li­che Blut­druck­erhö­hung der Dia­gno­se Hirn­tod nicht wider­spre­chen. Für Ver­tre­ter der Hirn­tod-Theo­rie sind alle die­se Zei­chen uner­heb­lich, weil sie vom Rücken­mark kommen.

Con­ra­do Estol, ein Neu­ro­wis­sen­schaft­ler und Teil­neh­mer der Arbeits­grup­pe Die Anzei­chen des Todes (2006), die von der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten unter­stützt wur­de, bekräf­tigt, daß spon­ta­ne Bewe­gun­gen und Reflexe

bei etwa 80% der Pati­en­ten bis zu 200 Stun­den nach der Hirn­tod­dia­gno­se vor­kom­men. (…) Bewe­gun­gen wer­den am Ope­ra­ti­ons­tisch wäh­rend der Organ­ent­nah­me beob­ach­tet. (…) In die­sem Zusam­men­hang ist Tod nicht syn­onym für Bewe­gungs­lo­sig­keit und Bewe­gun­gen wer­den bei Pati­en­ten mit einer rezen­ten Dia­gno­se Hirn­tod beobachtet.“

An die­sem Punkt kann der Leser den Unter­schied zwi­schen Tod und Hirn­tod erken­nen und den Ein­wand erhe­ben, daß ein Kör­per, der schwitzt, errö­tet und sich bewegt, in Wirk­lich­keit nicht tot ist. Es ist gar nicht unüb­lich, daß hirn­to­te Organ­spen­der Nar­ko­se und Beru­hi­gungs­mit­tel erhal­ten, um Bewe­gun­gen wäh­rend der Organ­ent­nah­me zu ver­hin­dern. Wenn wir ver­glei­chen (I) den hirn­to­ten Leib eines Organ­spen­ders kurz vor der Organ­ent­nah­me, (II) einen leben­den Pati­en­ten und (III) den Leich­nam eines Pati­en­ten, des­sen Tod mit dem tra­di­tio­nel­len Herz-Lun­gen-Kri­te­ri­um fest­ge­stellt wur­de, dann ist es evi­dent, daß der hirn­to­te Pati­ent, mit Aus­nah­me des tief koma­tö­sen, alle Züge mit dem Leben­den teilt, ein­schließ­lich ein schla­gen­des Herz, war­me Haut und funk­tio­nie­ren­de vita­le Orga­ne, wie Leber und Nie­ren, neben anderen.

Dar­über hin­aus gibt es vie­le Berich­te von Pati­en­ten, die für tot erklärt wur­den, weil sie die Dia­gno­se­kri­te­ri­en für Hirn­tod erfüll­ten, die aber lan­ge wei­ter­leb­ten. Zwei der am meis­ten publi­zier­ten Fäl­le sind TK und Jahi McMath. TK (nach dem Bericht in Alan Shew­mons Serie über Pati­en­ten mit „chro­ni­schem Hirn­tod“) wur­de im Alter von vier­ein­halb Jah­ren als Fol­ge einer plötz­lich aus­bre­chen­den Hae­mo­phi­lus influ­en­zae – Gehirn­haut­ent­zün­dung als hirn­tot dia­gnos­ti­ziert. Er leb­te aber noch zwan­zi­ge­in­halb Jah­re. McMath wur­de im Alter von 13 Jah­ren von zwei Neu­ro­lo­gen und einem Inten­siv­me­di­zi­ner für hirn­tot erklärt, leb­te aber bis zum Alter von 17 Jah­ren. Bei bei­den ereig­ne­te sich nor­ma­les kör­per­li­ches Wachs­tum, bei McMath auch das Ein­set­zen der Puber­tät, ein­schließ­lich Mens­trua­ti­on. Bei TK gab es kei­ne Puber­tät, da die Gehirn­haut­ent­zün­dung sein Gehirn kom­plett zer­stört hat­te. Bei der Aut­op­sie war das, was man inner­halb des Schä­dels fand, kein Gehirn, son­dern eine ver­kalk­te kugel­för­mi­ge Mas­se, etwa zehn Zen­ti­me­ter im Durch­mes­ser und ohne erkenn­ba­re Ner­ven­struk­tu­ren, weder gro­be noch mikroskopische.

In Sum­me: Das bio­lo­gi­sche Phä­no­men der kör­per­li­chen Auf­lö­sung, die unver­meid­lich dem meta­phy­si­schen Ereig­nis des Todes (Tren­nung der See­le vom Leib) folgt, fehlt regel­mä­ßig beim Hirn­tod, bevor den Pati­en­ten Orga­ne ent­nom­men wer­den oder lebens­er­hal­ten­de Maß­nah­men ganz been­det wer­den. Man argu­men­tiert immer wie­der, daß hirn­to­te Pati­en­ten wirk­lich tot sei­en, und daß nur leben­dig erschie­nen, weil der Tod durch medi­zi­ni­sche Inter­ven­tio­nen, beson­ders die Beatmung, ver­deckt wer­de. Aber die Behaup­tung, daß ein tech­ni­sches Gerät die Auf­lö­sung des Kör­pers tar­nen könn­te, wider­spricht dem Prin­zip von ver­hält­nis­mä­ßi­gen Ursa­chen und Wir­kun­gen, gemäß dem eine Ursa­che nichts her­vor­brin­gen kön­ne, das sie nicht in sich selbst ent­hält. Das Beatmungs­ge­rät kann nur Luft in die Lun­gen bla­sen und aus die­sen absau­gen. Es kann nicht den Aus­tausch von Sau­er­stoff und Koh­len­di­oxid in den Lun­gen aus­lö­sen, geschwei­ge denn eine uner­meß­li­che Zahl inte­gra­ti­ver Kör­per­funk­tio­nen wie Blut­kreis­lauf, Nie­ren­tä­tig­keit, Immun­funk­ti­on und ver­schie­de­ne Selbst­re­gu­la­tio­nen. Wenn das Beatmungs­ge­rät wirk­lich den Tod ver­de­cken könn­te, dann wür­de es ja, wenn man es an einen kal­ten, grau­en Leich­nam einer soeben gemäß des Herz-Lun­gen-Kri­te­ri­ums ver­stor­be­nen Per­son anschließt, den Leich­nam warm und rosig erschei­nen und vie­ler vege­ta­ti­ver Funk­tio­nen fähig erschei­nen las­sen. Wie der gesun­de Men­schen­ver­stand sofort erkennt, wür­de das aber nicht eintreten.

Die Stel­lung­nah­me von Johan­nes Paul II. zu den neu­ro­lo­gi­schen Kri­te­ri­en zur Todesbestimmung

Die Anspra­che von Johan­nes Paul II. an den 18. Inter­na­tio­na­len Kon­greß der Trans­plan­ta­ti­ons­ge­sell­schaft im Jahr 2000 war das ein­zi­ge Mal, als das kirch­li­che Lehr­amt aus­drück­lich zur Fra­ge des Hirn­to­des sprach. Die ers­te Fra­ge, die wir uns stel­len müs­sen, ist: In wel­che Kate­go­rie in der Hier­ar­chie des ordent­li­chen Lehr­am­tes gehört die­se Anspra­che? Wie in Donum Veri­ta­tis [Geschenk der Wahr­heit] fest­ge­stellt, gibt es im ordent­li­chen Lehr­amt meh­re­re Abstu­fun­gen, von der höchs­ten (z. B. Enzy­kli­ken), „wenn das Lehr­amt ‚in defi­ni­ti­ver Form‘ Wahr­hei­ten zu Glau­ben und Moral vor­legt“, zu den nied­rigs­ten, also „Inter­ven­tio­nen in Fra­gen der klu­gen Vor­gangs­wei­se, [bei denen] man­che lehr­amt­li­chen Doku­men­te nicht von jeg­li­chem Man­gel frei sein könn­ten“, weil die Kom­ple­xi­tät der betref­fen­den Mate­rie nicht aus­rei­chend in Betracht gezo­gen wurde.

Um daher „den Auto­ri­täts­grad der Inter­ven­tio­nen des Lehr­am­tes prä­zi­se zu bewer­ten“, muß man „die Natur der betref­fen­den Doku­men­te, die Inten­si­tät, mit der eine Leh­re wie­der­holt wird, und die Art und Wei­se, in der sie aus­ge­drückt wird“ genau betrach­ten. In die­ser Hin­sicht gehört die Anspra­che von Johan­nes Paul II. im Jahr 2000 zur Kate­go­rie von Inter­ven­tio­nen im Bereich der klu­gen Vor­gangs­wei­se. Es ist zu beach­ten, daß sei­ne Stel­lung­nah­me zum Hirn­tod (Arti­kel 5 der Anspra­che) das ein­zi­ge Mal in den Leh­ren des Magis­teri­ums vor­kommt. Die­se Stel­lung­nah­me wird weder in der Bot­schaft von Johan­nes Paul II. an die Teil­neh­mer der Kon­fe­renz Die Anzei­chen des Todes (aus­ge­rich­tet von der Päpst­li­chen Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten, 2005) noch in der Anspra­che von Bene­dikt XVI. Eine Gabe für das Leben: Erwä­gun­gen zur Organ­spen­de (2008).

Die Schlüs­sel­pas­sa­gen der Anspra­che von Johan­nes Paul II. wer­den hier zu Dis­kus­si­ons­zwe­cken wiedergegeben:

  1. Arti­kel 4: Lebens­wich­ti­ge Orga­ne, die als ein­zel­ne im Kör­per vor­han­den sind, kön­nen nur nach dem Tod ent­fernt wer­den, d. h., vom Kör­per jeman­des, der sicher­lich tot ist. … Der Tod der Per­son ist ein ein­ma­li­ges Ereig­nis, das in der völ­li­gen Auf­lö­sung des ein­heit­li­chen und inte­grier­ten Gan­zen besteht, das das per­so­na­le Selbst ist. Er ist die Fol­ge der Tren­nung des Lebens­prin­zips (oder See­le) von der kör­per­li­chen Wirk­lich­keit der Per­son. … [Er] ist ein Ereig­nis, das kei­ne wis­sen­schaft­li­che Tech­nik oder empi­ri­sche Metho­de direkt iden­ti­fi­zie­ren kann. … Sobald der Tod ein­tritt, fol­gen unver­meid­lich bestimm­te bio­lo­gi­sche Anzei­chen … [die zei­gen,] daß eine Per­son wirk­lich gestor­ben ist.
  2. Arti­kel 5: Seit eini­ger Zeit ver­leg­te der wis­sen­schaft­li­che Zugang zur Bestim­mung des Todes den Schwer­punkt von den tra­di­tio­nel­len Herz-Lun­gen-Anzei­chen zum soge­nann­ten „neu­ro­lo­gi­schen“ Kri­te­ri­um. Die­ses besteht spe­zi­fisch dar­in, das völ­li­ge und irrever­si­ble Aus­set­zen aller Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten gemäß klar defi­nier­ter Para­me­ter, die von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft der Wis­sen­schaft­ler über­ein­stim­mend akzep­tiert wer­den, fest­zu­stel­len. … Man kann sagen, daß das Kri­te­ri­um, das in jün­ge­rer Zeit zur Bestim­mung des Todes über­nom­men wur­de, näm­lich das völ­li­ge und irrever­si­ble Aus­set­zen aller Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten, wenn rich­tig ange­wen­det, nicht im Wider­spruch zu den wesent­li­chen Ele­men­ten einer gesun­den Anthro­po­lo­gie steht.

Vie­le katho­li­sche Wis­sen­schaft­ler kon­zen­trie­ren sich nur auf Arti­kel 5, vor allem auf die kur­ze und künst­li­che Stel­lung­nah­me „das völ­li­ge und irrever­si­ble Aus­set­zen aller Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten, wenn rich­tig ange­wen­det, steht nicht im Wider­spruch zu den wesent­li­chen Ele­men­ten einer gesun­den Anthro­po­lo­gie“, und inter­pre­tie­ren sie als die defi­ni­ti­ve Zustim­mung des Lehr­amts zum neu­ro­lo­gi­schen Kri­te­ri­um für die Bestim­mung des Todes.

Der Arti­kel 5 muß jedoch im Kon­text der gesam­ten Anspra­che gele­sen wer­den. Im Arti­kel 3 behan­delt der Papst die Wür­de des Men­schen und hält fest, daß der Leib nicht als Roh­stoff behan­delt wer­den darf („ledig­lich ein Kom­plex von Gewe­be, Orga­nen und Funk­tio­nen“). Im Arti­kel 4 betont der Papst die Not­wen­dig­keit der Ver­si­che­rung, daß die Per­son wirk­lich tot ist (erkenn­bar durch die bio­lo­gi­schen Zei­chen kör­per­li­cher Auf­lö­sung), bevor man zur Ent­fer­nung von Orga­nen über­geht, da ja die Ent­fer­nung nicht paar­wei­se ange­leg­ter vita­ler Orga­ne (kon­kret des Her­zens) den Tod nach sich zieht.

Eine kri­ti­sche Über­prü­fung der Stel­lung­nah­me von Johan­nes Paul II. zum Hirn­tod offen­bart, daß die angeb­li­che defi­ni­ti­ve Zustim­mung eigent­lich eine bedin­gungs­wei­se Zustim­mung ist. Das wird klar durch (I) den Gebrauch der Kon­junk­ti­on „wenn“, zuzüg­lich zum Verb „schei­nen“, was ein bestimm­tes Maß an Vor­sicht aus­drückt, und (II) die drei in der Stel­lung­nah­me genann­ten Vor­aus­set­zun­gen oder Bedin­gun­gen, die für die Schluß­fol­ge­rung (also die Zustim­mung zum Hirn­tod­kri­te­ri­um) alle wahr bzw. erfüllt sein müs­sen. Ers­tens setzt der Papst vor­aus, daß der Hirn­tod­stan­dard durch „klar defi­nier­te Para­me­ter, die von der inter­na­tio­na­len Gemein­schaft der Wis­sen­schaft­ler über­ein­stim­mend akzep­tiert wer­den“, eta­bliert wur­de, wobei der Aus­druck „Para­me­ter“ sich auf die dia­gnos­ti­schen Tests, die für die Fest­stel­lung des Hirn­tods gebraucht wer­den, bezieht. Die­se Para­me­ter wären nur dann klar defi­niert, wenn man sie einer stren­gen wis­sen­schaft­li­chen Über­prü­fung unter­zo­gen hät­te. Eine sol­che Unter­su­chung hat aber nie­mals statt­ge­fun­den, weder vor noch nach der Ein­füh­rung des Hirn­to­des in die kli­ni­sche Pra­xis. Die Para­me­ter wer­den auch nicht all­ge­mein aner­kannt: Es gibt kei­nen Kon­sens bezüg­lich der dia­gnos­ti­schen Tests, son­dern eher eine Ver­wir­rung in den Prak­ti­ken bei signi­fi­kan­ten Unter­schie­den auf allen Gebie­ten, beson­ders bezüg­lich des Apnea­tests, dem wich­tigs­ten Test für die Fest­stel­lung des Hirn­to­des. Die Publi­ka­tio­nen der Pro-Hirn­tod-Wis­sen­schaft­ler aner­ken­nen die­ses Feh­len des Kon­sen­ses, z. B. „Brain Death World­wi­de: Accept­ed Fact but No Glo­bal Con­sen­sus in Dia­gno­stic Cri­te­ria” (Wij­dicks, Neu­ro­lo­gy, 2002); “Varia­bi­li­ty of Brain Death Deter­mi­na­ti­on Gui­de­lines in Lea­ding US Neu­ro­lo­gic Insti­tu­ti­ons” (Gre­er et al., Neu­ro­lo­gy, 2008); und, ganz aktu­ell, “World­wi­de Vari­ance in Brain Death/​Death by Neu­ro­lo­gic Cri­te­ria” (sup­ple­ment 1 to Gre­er et al., JAMA, 2020).

Zwei­tens beruht die Zustim­mung von Johan­nes Paul II. zum Hirn­tod auf der Bedin­gung, daß das neu­ro­lo­gi­sche Kri­te­ri­um streng ange­wandt wird. Ohne Über­prü­fung und Kon­sens bezüg­lich der dia­gnos­ti­schen Para­me­ter kann man aber nicht zu einer stren­gen Anwen­dung gelan­gen. Dar­über hin­aus sind die übli­chen Para­me­ter (gemäß den Richt­li­ni­en der AAN, Ame­ri­can Asso­cia­ti­on of Neu­ro­lo­gists) unge­eig­net für die Bestim­mung des irrever­si­blen Ver­lus­tes von allen Gehirn­funk­tio­nen, weil sie aus kli­ni­schen Tests am Kran­ken­bett bestehen, die nur die Stamm­hirn­funk­ti­on anzie­len. Es ist daher gar nicht so sel­ten, daß Pati­en­ten, die die Hirn­tod-Para­me­ter gemäß der Kran­ken­bett-Tests erfüll­ten, das Anti­di­ure­ti­sche Hor­mon (ADH) pro­du­zier­ten und/​oder beim EEG elek­tri­sche Gehirn­ak­ti­vi­tä­ten zeigten.

Auf der Bedin­gung der stren­gen Anwen­dung ist die drit­te und wich­tigs­te Vor­aus­set­zung des Paps­tes auf­ge­baut, näm­lich, daß das Hirn­tod­kri­te­ri­um „nicht mit den wesent­li­chen Ele­men­ten einer gesun­den Anthro­po­lo­gie im Wider­streit liegt“. Die in Fra­ge ste­hen­de Anthro­po­lo­gie ist die christ­li­che Anthro­po­lo­gie, die auf der aris­to­te­lisch-tho­mis­ti­schen Leh­re vom Hylem­or­phis­mus (die Sicht der mensch­li­chen Per­son als Sub­stanz) auf­baut, gemäß der der Mensch eine sub­stan­ti­el­le Uni­on von Stoff (Kör­per) und Form (See­le) ist. In der Sum­ma theo­lo­giae I, q. 76., a. 1, heißt es:

Nun ist offen­bar das Ers­te, ver­mit­telst des­sen der Kör­per Leben hat, die See­le. Und da das Leben ver­schie­de­nen Stu­fen gemäß sich offen­bart, so ist die See­le jenes Moment, wodurch in ers­ter Linie das leben­de Wesen gemäß der ihm eige­nen Seins­stu­fe thä­tig ist. Denn die See­le ist für uns das Prin­cip, wodurch wir uns näh­ren, emp­fin­den, von Ort zu Ort uns bewe­gen und zu aller­erst, wodurch wir geis­tig erken­nen“ [dt. Ver­si­on nach BKV).

Die­se ver­schie­de­nen Tätig­kei­ten des Lebens mani­fes­tie­ren die drei fun­da­men­ta­len Fähig­kei­ten (Kräf­te) der mensch­li­chen See­le – vege­ta­tiv, sen­si­tiv (sen­so­risch-moto­risch) und ratio­nal –, die unter­ein­an­der in einer stren­gen onto­lo­gi­schen Hier­ar­chie ste­hen, in der die „nied­ri­ge­re“ Kraft die Vor­be­din­gung für die höhe­re Kraft ist.

Dar­aus folgt: Wenn es kei­ne fest­stell­ba­ren Mani­fes­ta­tio­nen der höchs­ten (also der ratio­na­len) Fähig­keit gibt, kann die Gegen­wart der See­le doch durch Mani­fes­ta­tio­nen ihrer nied­rigs­ten, aber grund­le­gends­ten Kraft fest­ge­stellt wer­den, näm­lich der vege­ta­ti­ven Kraft, die in und durch zahl­rei­che inte­gra­ti­ve vege­ta­ti­ve Funk­tio­nen, die zusam­men­wir­ken, um den Leib als Ein­heit zu erhal­ten, aus­ge­drückt wird.

Daß die See­le das ers­te Prin­zip ist, durch das der Leib lebt, bedeu­tet, daß die See­le den Leib zu dem macht, was er ist, und ihn als Ein­heit erhält. Die sub­stan­zi­el­le Ein­heit von See­le und Leib bedeu­tet, daß die See­le „not­wen­di­ger­wei­se im gan­zen Leib und in jedem sei­ner Tei­le ist“. Dar­aus folgt: 

Nach dem Weg­gang der See­le behält kein Teil des Lei­bes sei­ne ihm eige­ne Hand­lung“ (S. th. I, q. 76, a. 8). 

Johan­nes Paul II. bestä­tigt die­sen Punkt, indem er sagt: 

Der Tod ist ein ein­ma­li­ges Ereig­nis, das in der Auf­lö­sung jenes ein­heit­li­chen und inte­grier­ten Gan­zen, das das per­so­na­le Selbst ist, bildet.“ 

Anstatt jedoch der Auf­lö­sung zu unter­lie­gen, zei­gen hirn­to­te Pati­en­ten vie­le inte­gra­ti­ve vege­ta­ti­ve Funk­tio­nen, ein­schließ­lich des Kreis­lau­fes, der Erhal­tung der Kör­per­tem­pe­ra­tur, der Auf­nah­me von Nähr­stof­fen, der Aus­schei­dung u. a. Sind das nicht Anzei­chen der vege­ta­ti­ven Kraft der mensch­li­chen See­le? Vie­le hirn­to­te Pati­en­ten zei­gen auch spon­ta­ne Bewe­gun­gen und Refle­xe. Sind das nicht Anzei­chen der sen­so­risch-moto­ri­schen Kraft der mensch­li­chen See­le? Die Wirk­lich­keit beim Hirn­tod wider­legt die Behaup­tung, daß das neu­ro­lo­gi­sche Kri­te­ri­um mit der kirch­li­chen Anthro­po­lo­gie über­ein­stim­men würde.

Da kei­ne der drei Vor­aus­set­zun­gen in der Stel­lung­nah­me des Paps­tes zutref­fen, kann man eben nicht sagen, daß das Lehr­amt dem Hirn­tod­kri­te­ri­um die Zustim­mung erteil­te. Es zeigt sich, daß der Papst zur Zeit sei­ner Anspra­che Schlüs­sel­in­for­ma­tio­nen über den Hirn­tod nicht besaß, beson­ders die­se: (I) die Richt­li­ni­en der Ame­ri­can Asso­cia­ti­on of Neu­ro­lo­gists (seit 1995 bekannt), gemäß denen trotz spon­ta­ner Bewe­gun­gen, wei­ter­ge­hen­der ADH-Pro­duk­ti­on und wei­te­rer Kör­per­ak­ti­vi­tä­ten der Tod fest­ge­stellt wer­den kann; und (II) die dem Hirn­tod zugrun­de­lie­gen­de phi­lo­so­phi­sche Mei­nung (seit 1981 bekannt), gemäß der das Gehirn das ent­schei­den­de Haupt­or­gan und Inte­gra­tor des Lei­bes sei, ohne dem die mensch­li­che Per­son tot ist. Die­se Mei­nung wider­spricht der kirch­li­chen Anthro­po­lo­gie, nach der die See­le (und nicht das Gehirn) das Prin­zip ist, das den Leib mit Leben erfüllt, ihn zusam­men­hält und ohne der die Per­son tot ist. Sie wider­spricht auch dem bekann­ten Dop­pel­axi­om vom „Gan­zen und den Tei­len“, nach dem das orga­ni­sche Gan­ze grö­ßer ist als die Sum­me sei­ner Tei­le und die­sen onto­lo­gisch vor­aus­geht. Daher kann kein Teil für sich selbst gera­de­ste­hen, geschwei­ge denn für das orga­ni­sche Gan­ze. Da jede mensch­li­che Per­son ihr Leben als ein­zelli­ge Zygo­te beginnt und sich zum Embryo ent­wi­ckelt, bevor sie ein Gehirn erwirbt, ist die Bezie­hung des Gehirns zum Leib (zur mensch­li­chen Per­son) die­je­ni­ge eines Teils zu des­sen grö­ße­rem Gan­zen, weil das Gehirn, wie jedes ande­re Organ oder Teil, erst dann zu exis­tie­ren beginnt, nach­dem die Per­son zu exis­tie­ren begon­nen hat.

Kurz gesagt, das Gehirn kann nicht für die Inte­gra­ti­on und das Leben des orga­ni­schen Gan­zen, aus dem es sich ent­wi­ckelt, ver­ant­wort­lich sein.

Der Vor­stoß, die Richt­li­ni­en der AAN zur Hirn­tod-Gesetz­ge­bung zu machen

Der Tod betrifft jedes Mit­glied der Gesell­schaft. Den­noch war die gro­ße Öffent­lich­keit vom Ent­schei­dungs­pro­zeß, der zum Inkraft­tre­ten des UDDA führ­te und damit den Hirn­tod als lega­le Todes­de­fi­ni­ti­on gemein­sam mit dem tra­di­tio­nel­len Herz-Lun­gen-Tod ein­führ­te, aus­ge­schlos­sen. Ange­sichts eines stei­gen­den öffent­li­chen Bewußt­seins zum Hirn­tod und sei­ner Ver­bin­dung zur Organ­trans­plan­ta­ti­on steigt jedoch der Wider­stand gegen die Hirn­tod-Defi­ni­ti­on auf Sei­ten der Fami­li­en der jewei­li­gen Pati­en­ten, Gerichts­pro­zes­se zum lega­len Sta­tus des Hirn­to­des neh­men zu. Die Beschwer­den der Fami­li­en tei­len sich in drei Kate­go­rien auf:

  1. Die Bestim­mung des Hirn­to­des (die den Dia­gno­se­richt­li­ni­en der AAN fol­gen) erfüllt nicht die recht­li­chen Anfor­de­run­gen im UDDA. Der UDDA defi­niert den Hirn­tod als „das irrever­si­ble Aus­set­zen aller Funk­tio­nen des gesam­ten Gehirns“; aber die Richt­li­ni­en der AAN bestehen dar­auf, daß die Pro­duk­ti­on von ADH durch das Gehirn mit dem Hirn­tod kom­pa­ti­bel sei. Dar­über hin­aus zei­gen Stu­di­en, daß bei eini­gen Pati­en­ten, die die kli­ni­schen Kri­te­ri­en für den Hirn­tod erfüllt haben, das EEG bestän­di­ge Gehirn­ak­ti­vi­tät anzeig­te. Den­noch bezeich­nen die Richt­li­ni­en der AAN den EEG-Test als optio­nal oder unnot­wen­dig, was die Sicher­heit in der Fest­stel­lung des irrever­si­blen Auf­hö­rens aller Funk­tio­nen des gesam­ten Gehirns ja wohl nur min­dern kann.
  2. Kon­sens ist vor der Durch­füh­rung von Hirn­tod­tests ver­langt, beson­ders beim Apnea-Test, bei dem der Pati­ent für eine bestimm­te Zeit vom Beatmungs­ge­rät getrennt wird: Wenn kei­ne Spon­tan­at­mung ein­setzt, besteht der Pati­ent den Apnea-Test nicht. Die­ses Test­ver­fah­ren kann den Koma­pa­ti­en­ten scha­den, weil es ver­schie­de­ne Kom­pli­ka­tio­nen ver­ur­sa­chen kann: Herz­still­stand, Blut­druck­ab­fall und star­ke Hirn­schwel­lun­gen. Den­noch argu­men­tie­ren Hirn­tod-Ver­tre­ter, daß Kon­sens nicht ver­langt sei, denn: (a) Das hirn­to­te Indi­vi­du­um sei tot und kei­ner­lei Kon­sens sol­le für eine Maß­nah­me an einem Leich­nam ver­langt sein. Und (b) Kon­sens zu ver­lan­gen lau­fe auf eine Erlaub­nis für die betref­fen­den Fami­li­en hin­aus, eine Hirn­tod­dia­gno­se nicht anzuerkennen.
  3. Reli­giö­ser Ein­wand gegen eine Todes­fest­stel­lung auf der Basis einer Hirntoddiagnose.

Der Haupt­grund für den Wider­stand von Fami­li­en gegen das Hirn­tod­kri­te­ri­um ist die Tat­sa­che, daß ihre lie­ben Ange­hö­ri­gen immer noch vie­le Lebens­zei­chen zei­gen, obwohl sie tot erklärt wor­den sind. Aber die Ver­tre­ter des Hirn­to­des bestehen dar­auf, daß solch ein Wider­stand durch Unter­schie­de in den Hirn­tod­ge­set­zen unter den US-Bun­des­staa­ten ver­ur­sacht wer­de (aber alle 50 Staa­ten haben den UDDA aner­kannt) und daß die Ursa­che für sol­che Unter­schie­de der UDDA selbst sei. Daher schlu­gen im Jän­ner 2020 füh­ren­de Mit­glie­der der AAN einen „revi­dier­ten UDDA“ vor (Lewis et al., “It’s Time to Revi­se the Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death,” Annals of Inter­nal Medi­ci­ne). Eine detail­lier­te Kri­tik die­ses Vor­schlags fin­det sich in „Does the Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act Need to Be Revi­sed?” (Nguy­en, The Linacre Quar­ter­ly, 2020).

Die drei wich­tigs­ten Punk­te des Vor­schlags sind: (I) Die Hirn­tod­de­fi­ni­ti­on im UDDA wird so geän­dert, daß sie den Richt­li­ni­en der AAN genau ent­spricht, (II) Kon­sens ist für die Durch­füh­rung von Hirn­tod-Tests nicht ver­langt, und (III) Vor­keh­run­gen wer­den für die Akzep­tanz künf­ti­ger Ände­run­gen der Richt­li­ni­en der AAN getrof­fen. Kurz gesagt, die Stra­te­gie im vor­ge­schla­ge­nen „revi­dier­ten UDDA“ besteht dar­in, daß das Gesetz zum Hirn­tod zuguns­ten der Richt­li­ni­en der AAN mani­pu­liert wer­den kann. Die­ser Vor­schlag wur­de offi­zi­el­len Auto­ri­tä­ten für wei­te­re Bera­tun­gen über­mit­telt. Wenn er zum Gesetz wer­den soll­te, wird er die Fami­li­en von Ein­wän­den gegen Hirn­tod-Tes­tun­gen oder Hirn­tod-Dia­gno­sen aus­schlie­ßen und dadurch alle mög­li­chen Gerichts­pro­zes­se verunmöglichen.

Schluß­fol­ge­rung

Die­ser Auf­satz prä­sen­tier­te die rele­van­tes­ten Infor­ma­tio­nen zum Hirn­tod, von denen die meis­ten nach unse­rem Kennt­nis­stand der all­ge­mei­nen Öffent­lich­keit, ein­schließ­lich Katho­li­ken, nicht zugäng­lich gemacht wur­den. Wir haben aus­führ­lich dar­ge­legt, sowohl empi­risch als auch phi­lo­so­phisch, daß der Hirn­tod nicht das­sel­be ist wie der Tod an sich (Tod als Tren­nung der See­le vom Leib mit den fol­gen­den bio­lo­gi­schen Anzei­chen kör­per­li­cher Auf­lö­sung verstanden).

Die Fra­ge nach dem Hirn­tod ist von prak­ti­scher Bedeu­tung, da die meis­ten Leu­te einen Füh­rer­schein besit­zen. Wenn sie die­sen Schein erwer­ben, kön­nen sie wäh­len, ob sie ein Organ­spen­der wer­den möch­ten oder nicht. Sie wer­den aber nicht dar­über infor­miert, daß sie im Fall der Zustim­mung ein­schluß­wei­se akzep­tie­ren, daß sie auf der Basis des neu­ro­lo­gi­schen Kri­te­ri­ums für tot erklärt wer­den können.

Wegen der engen Ver­bin­dung zwi­schen Hirn­tod und Organ­trans­plan­ta­ti­on ist die Tat­sa­che, daß Hirn­tod nicht das­sel­be wie Tod an sich ist, von ethi­scher Bedeu­tung. Wie nobel auch die Absicht bei der Organ­trans­plan­ta­ti­on sein mag, sie darf nicht das Leben einer ster­ben­den Per­son im irrever­si­blen Koma (das der Har­vard Report als neu­es Todes­kri­te­ri­um defi­niert) beeinträchtigen.

Es hilft uns, wenn wir uns sowohl die Leh­re von Röm 3,8, daß wir nicht Böses tun kön­nen, um gute Zie­le zu errei­chen, als auch die Leh­re von Papst Pius XII. vor Augen füh­ren. Pius XII. hielt im Jahr 1957 fest, daß „das mensch­li­che Leben so lan­ge dau­ert, wie des­sen vita­le Funk­tio­nen … sich spon­tan oder mit Hil­fe künst­li­cher Pro­zes­se mani­fes­tie­ren.“ Des­we­gen ermahn­te Johan­nes Paul II. in sei­ner Anspra­che im Jahr 2000, daß „was tech­nisch mög­lich ist, nicht schon mora­lisch erlaubt ist“ (Arti­kel 2). Bene­dikt XVI. bekräf­tig­te danach im Jahr 2008, daß „ein­zel­ne Orga­ne nicht ent­nom­men wer­den dür­fen, außer ‚ex cada­ve­re‘ [und] das Haupt­kri­te­ri­um des Respekts für das Leben des Spen­ders immer über­wie­gen muß, sodaß die Organ­ent­nah­me nur im Fall seines/​ihres wirk­li­chen Todes erfol­gen darf.“

Die Stel­lung­nah­me von Bene­dikt XVI., damals noch Kar­di­nal Ratz­in­ger, in sei­ner Erör­te­rung von 1991, Die Pro­ble­me der Bedro­hun­gen des mensch­li­chen Lebens, ist noch expliziter:

Heu­te sind wir Zeu­gen eines wirk­li­chen Krie­ges der Mäch­ti­gen gegen die Schwa­chen, eines Krie­ges, der die Eli­mi­na­ti­on der Behin­der­ten … in allen Pha­sen ihrer Exis­tenz anzielt. Mit der Kom­pli­zen­schaft der Staa­ten wer­den gewal­ti­ge Mit­tel gegen Men­schen am Abend ihres Lebens ein­ge­setzt, oder wenn ihr Leben durch Unfall oder Krank­heit geschwächt wur­de, … [beson­ders] jene, die durch Krank­heit oder Unfall in ein ‚irrever­si­bles‘ Koma fal­len, wer­den häu­fig getö­tet, um der Nach­fra­ge für trans­plan­tier­ba­re Orga­ne nach­zu­kom­men, sogar für medi­zi­ni­sche Expe­ri­men­te benützt (‚war­me Leichen‘).“

Johan­nes Paul II. wies dar­auf hin, daß „die Kir­che kei­ne tech­ni­schen Ent­schei­dun­gen trifft“. Nichts­des­to­trotz hat sie „die Pflicht, die von der medi­zi­ni­schen Wis­sen­schaft bereit­ge­stell­ten Daten mit dem christ­li­chen Ver­ständ­nis der Ein­heit der Per­son abzu­glei­chen“ (Arti­kel 5). Es wäre sehr hilf­reich, wenn die US-Bischofs­kon­fe­renz und letzt­lich das Lehr­amt eine Prä­zi­sie­rung die­ser Anspra­che ver­öf­fent­li­chen könn­te. Die­se müß­te auf einer sorg­fäl­ti­gen Unter­su­chung der medi­zi­ni­schen Aspek­te des Hirn­to­des (beson­ders die Richt­li­ni­en der AAN) im Licht der wesent­li­chen Ele­men­te der kirch­li­chen Anthro­po­lo­gie beru­hen. Solch eine Prä­zi­sie­rung wür­de hel­fen, die Ver­wir­rung unter Katho­li­ken bezüg­lich des Hirn­to­des zu behe­ben. In der Zwi­schen­zeit hof­fen wir, daß die­ser Auf­satz Katho­li­ken hel­fen wird, eine wohl­in­for­mier­te Ent­schei­dung zur Organspende/​Transplantation von hirn­to­ten Spen­dern zu tref­fen, wie auch sie dabei unter­stüt­zen wird, pro­ak­tiv gegen die dro­hen­de Wahr­schein­lich­keit der Pro­mul­ga­ti­on eines „revi­dier­ten UDDA“ vor­zu­ge­hen, der das Recht, Hirn­tod-Tests zu ver­wei­gern und eine Hirn­tod-Dia­gno­se zu bestrei­ten, auf­he­ben wird.

Doy­en Nguy­en, OP, MD, STD, ist eine Dritt­or­dens­do­mi­ni­ka­ne­rin, pen­sio­nier­te aka­de­mi­sche Häma­topa­tho­lo­gin, katho­li­sche Moral­theo­lo­gin und Bio­ethi­ke­rin. Sie ver­faß­te Bücher und Arti­kel auf dem Gebiet der Medi­zin wie auch der Moral­theo­lo­gie und Bio­ethik. Unter ihren jün­ge­ren Publi­ka­tio­nen fin­det sich die 600-Sei­ten Mono­gra­phie „Die neu­en Defi­ni­tio­nen des Todes für die Organ­spen­de: eine inter­dis­zi­pli­nä­re Ana­ly­se aus der Per­spek­ti­ve christ­li­cher Ethik“ (The New Defi­ni­ti­ons of Death for Organ Dona­ti­on: A Mul­ti­di­sci­pli­na­ry Ana­ly­sis from the Per­spec­ti­ve of Chris­ti­an Ethics [Peter Lang, April 2018. ISBN 978 – 3‑0343 – 3277‑4] und ein Arti­kel zum The­ma Hirn­tod “Does the Uni­form Deter­mi­na­ti­on of Death Act Need to Be Revi­sed?” [The Linacre Quar­ter­ly, 87(3):317 – 333, 2020].)

Joseph M. Eble, MD, ist Prä­si­dent der Tul­sa Guild of the Catho­lic Medi­cal Asso­cia­ti­on, Mit­glied des Tul­sa Chap­ter of Lega­tus, und geschäfts­füh­ren­der Teil­ha­ber von Fide­lis Radio­lo­gy. The­men, die er mit Lei­den­schaft behan­delt, sind u. a. Hirn­tod, Adop­ti­on und Brü­cken­bau zwi­schen Per­so­nen ver­schie­de­ner Volks­zu­ge­hö­rig­keit. Sein jüngs­ter Arti­kel zum Hirn­tod ist “Impli­ca­ti­ons of John Kavanaugh’s Phi­lo­so­phy of the Human Per­son as Embo­di­ed Refle­xi­ve Con­scious­ness for Con­sci­en­tious Decis­i­on-making in Brain Death” (The Linacre Quar­ter­ly, 88(1):71 – 81, 2021).

Eng­li­scher Ori­gi­nal­ar­ti­kel: https://​www​.hprweb​.com/​2​0​2​1​/​0​3​/​b​r​a​i​n​-​d​e​a​t​h​-​w​h​a​t​-​c​a​t​h​o​l​i​c​s​-​s​h​o​u​l​d​-​know/
Erst­ver­öf­fent­li­chung in Deutsch­land: https://​katho​li​sches​.info/​2​0​2​1​/​0​5​/​0​6​/​h​i​r​n​t​o​d​-​w​a​s​-​k​a​t​h​o​l​i​k​e​n​-​w​i​s​s​e​n​-​s​o​l​lten/
Über­set­zung: Wolf­ram Schrems